Vernunft
Liebe Thomas-Gemeinde,
heute geht es um Vernunft.
Genauer: Um vernünftigen Gottesdienst.
Was das ist?
Da gehen die Meinungen auseinander.
Mancher denkt: ordentlich lutherisch, wie es immer war.
Andere, Jüngere anzusprechen, auch mit anderer Musik, verständlicher Sprache, einladend zu sein und dabei sogar Konfessionsgrenzen zu überwinden. Sollten nicht heute z.B. die Sternsinger-Kinder kommen?
Einige sagen: „Vernünftiger Gottesdienst“ hat etwas mit Vernunft zu tun.
Mit durchdachten, anspruchsvollen Predigten, die aufzeigen, was richtig und wahr ist.
Wieder andere sagen: Vernünftig ist es, die Frage mit dem Herzen anzugehen.
Laut singen können, die vertrauten Gesichter sehen – auch die, die kein Internet haben –
Und jetzt sagt der Kirchenvorstand: Vernünftig ist es im Moment, sich nur elektronisch zu treffen, auch wenn es nicht dasselbe ist.
Geht es Ihnen auch wie mir, dass mit Vernunft dieser Wirrwarr kaum zu durchschauen zu sein scheint?
Vernünftiger Gottesdienst scheint eine große Sache zu sein.
Groß und kompliziert.
Also: Warum nicht gleich noch viel größer denken? Über den Sonntag hinaus? In den Alltag hinein?
Vielleicht könnte das ein Weg sein.
Paulus schreibt im Römerbrief (Kapitel 12, Vers 1):
Brüder und Schwestern, bei der Barmherzigkeit Gottes bitte ich euch:
Stellt euer ganzes Leben Gott zur Verfügung,
als ein lebendiges und heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer.
Das ist für euch ein vernünftiger Gottesdienst.
Oder, wie man vielleicht auch übersetzen könnte: sprechender Gottesdienst.
Einer, der der Welt von Gott erzählt.
Gottesdienst – ganz groß gedacht.
Das ganze Leben Gott zur Verfügung stellen.
Gott dienen, nicht nur am Sonntag, sondern auch im Alltag.
Klingt super – und ist leichter als man denken mag.
Paulus sagt:
Denk nicht zu klein von dir! Dir ist doch etwas gegeben.
Dein ganz eigenes, persönliches, genau richtig großes Stückchen Gottesdienst.
Vernünftiger Gottesdienst, mitten in der Welt, im Alltag:
der zeichnet sich aus durch die verschwenderische Unvernunft, mit der Gott seine Gaben durch die Welt wirft.
Bunt verteilt, so dass niemand allein alles kann. Aber alle zusammen vieles, Großes erreichen können.
Wir haben verschiedene Gaben, je nachdem, was Gott uns in seiner Gnade geschenkt hat:
Wenn eine ein Musikinstrument gut spielt, dann tut sie es Gott zur Ehre.
Wenn einer gern backt, dann mache er andere damit glücklich, denn Kuchen ist Gnade.
Wenn eine einen grünen Daumen hat, dann soll sie wissen, dass sie Glück in die Herzen sät.
Wenn einer gut mit Computern und Apps umgehen kann, dann bringe er das ein, wo er anderen helfen kann.
Wenn eine gut singen kann, mache sie anderen eine Freude.
Und wenn einer schlecht singen kann, dann zeige er den anderen, dass wir nicht perfekt sein müssen, um Gott zu loben.
Und das alles nicht, weil wir uns in den Himmel singen, pflanzen, rechnen, backen müssten, sondern weil wir gar nicht anders können.
Es muss ja einfach heraus, was in uns steckt.
Also lasst es uns zum Guten nutzen, damit die Leute es sehen und sich fragen:
Was ist denn da los?
Und vielleicht sagst du dann: Gottesdienst.
Sprechender, singender, pflanzender, rechnender, backender Gottesdienst.
Amen.
Ein guten Start ins neue Jahr und Gottes Segen
Pastor Friedemann Keller